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14.12.2022

Wasserkraft zur Energiegewinnung: Das ist die Zukunft

Im ausführlichen Interview gibt Theodor Steidl, Referatsleiter Wasserwirtschaft, spannende Insights rund um die Wasserwirtschaft.

© Theodor Steidl

Text von Lilian Derndler, Content- & PR-Manager

RX Austria & Germany: Hallo Herr Steidl, was versteht man eigentlich genau unter Wasserwirtschaft?

Theodor Steidl: Unter Wasserwirtschaft bezeichnet man die nachhaltige Bewirtschaftung des Wassers durch den Menschen. Dabei orientiert man sich an folgenden Hauptzielen:

  1. Schutz des Wassers vor dem Menschen (ökologische Wasserwirtschaft)
  2. Schutz des Menschen vor dem Wasser (Schutzwasserwirtschaft)
  3. koordinierte und an Prioritäten orientierte Nutzung des Wassers für den Menschen (Nutzwasserwirtschaft)

Und welche Nutzungsmöglichkeiten von Wasser gibt es?

Wasser ist nirgendwo aus dem Leben wegzudenken: Als Trinkwasser ist es unentbehrlich. Aber auch sonst betätigen wir pro Tag ca. 30-mal einen Wasserhahn zum Waschen, Spülen, Kochen, Putzen, Gießen und selbstverständlich für die Toilette. Wir benötigen Wasser für die Produktion der Lebensmittel, zum Tränken und Bewässern und im Veredelungsprozess. Gewerbe und Industrie benötigt Wasser als Produktions-, Prozess- und Reinigungswasser. Für die Tourismusbranche ist Wasser unentbehrliche Grundlage um Gäste in unsere Schigebiete oder unsere wunderbare Landschaft einzuladen. Und schließlich nutzen wir das Wasser als Quelle erneuerbarer Energie in Form von Wasserkraft oder Geothermie (Wasserwärmepumpen).

Könnten Sie uns in einfachen Worten erklären, wie Wasserkraftnutzung funktioniert?

Ich kann es gerne versuchen. Vereinfacht gesagt wird die Lage- und die Geschwindigkeitsenergie (potentielle und kinetische Energie), die jeder Wassertropfen hat, in der Turbine in Rotationsenergie und dann im Generator in elektrische Energie umgewandelt. Je nach Höhendifferenz zwischen Ober- und Unterwasser wird zwischen Hochdruck (z.B. die Speicherkraftwerke in den Alpen) und Niederdruckanlagen (z.B. die Flusskraftwerke) mit allen Zwischenstufen unterschieden. Je nach Lage zwischen Fassungsbauwerk und Krafthaus kann man zwischen Lauf-, Ausleitungs- und Speicherkraftwerken unterscheiden. Hat ein Speicherkraftwerk ein Ober- und ein Unterbecken werden Pumpspeicherkraftwerke errichtet. Diese eignen sich ideal für die Ausregelung des Stromnetzes: Strom kann in das Netz eingespeist werden (Turbinenbetrieb) oder das Netz entlastet werden (Pumpbetrieb). Eine sympathische Ergänzung sind Trinkwasserkraftwerke als Beweis, dass ein Mehrfachnutzen in der Wasserwirtschaft angestrebt wird.

Welche Rolle spielt die Wasserkraft in der Energiegewinnung für Salzburg?

In Salzburg hat Wasserkraft traditionell eine sehr hohe Bedeutung beim Aufbringen der benötigten elektrischen Energie. Bilanziell gesehen wird in Salzburg sogar mehr elektrische Energie aus Wasserkraft erzeugt, als im Land über das Jahr gebraucht wird. Tatsächlich gibt es exportstarke Monate im Frühjahr und Sommer, während im Winter Strom importiert werden muss.
In Salzburg werden derzeit 498 Wasserkraftwerke betrieben. 468 davon haben eine Engpassleistung von weniger als 10 MW und fallen in die Kategorie der „Kleinwasserkraft“. Von den großen Kraftwerken gibt es 12 Speicherkraftwerke, 10 Laufkraftwerke und 4 Ausleitungskraftwerke. Dazu werden aktuell 5 Pumpspeicherkraftwerke betrieben und zwei weitere gebaut. Das durchschnittliche theoretische Jahresarbeitsvermögen aller Wasserkraftwerke beträgt knapp 4 TWh (Terrawattstunden). Damit könnte – um es anschaulicher zu machen – theoretisch der Jahresstrombedarf von einer Million Haushalte erzeugt werden.

Sehen Sie hierbei den Trend der Zukunft?

Die Wasserkraft befindet sich im Spannungsfeld zwischen Ökonomie und Ökologie, wobei der Interessenausgleich heute deutlich besser funktioniert als Mitte/Ende des 20. Jahrhunderts. Viele gute Standorte sind bereits energetisch genutzt. Dort gilt es jetzt Optimierungspotentiale zu identifizieren und zu heben. Gerade im Bereich der Kleinwasserkraft gibt es da noch Handlungsbedarf. Ob zusätzliche Hochgebirgstäler noch genutzt werden sollen, ist eine gesellschaftspolitische Frage. Aus meiner Sicht sollten aber vorher auch alle Energieeinsparungsmöglichkeiten aufgezeigt und eingefordert werden. Wenn der steigende Trend beim Energieverbrauch nicht gebrochen werden kann, nützt auch eine vollständige Ausnutzung der Wasserkraft nichts.

Welche Herausforderungen bestehen im Bereich der Wasserwirtschaft?

Klimawandel und Wasserwirtschaft sind unmittelbar verkettet. Die Erwärmung wirkt sich auf alle Aggregatzustände des Wassers aus: Vom Schmelzen der Polkappen und der Gletscher bis zur höheren Wasseraufnahmekapazität der wärmeren Luft. Die Wasserwirtschaft muss sich auf mehr Hitzetage, längere und häufigere Trockenperioden und intensivere Niederschlagsereignisse einstellen. Die Permafrostgrenze zieht sich in noch höhere Lagen zurück, was sich auf Steinschläge, Muren und Geschiebemanagement unmittelbar auswirkt. Wir werden in allen Bereichen der Wasserwirtschaft mit Ereignissen konfrontiert werden, die noch nie zuvor beobachtet wurden. Sich darauf mit Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel vorzubereiten ist unsere große Herausforderung!

Was passiert mit der Wasserversorgung im Falle eines Blackouts?

In weiten Bereichen passiert bei der Wasserversorgung gar nichts. Meistens wird das Trinkwasser in Hochbehältern gespeichert und kann ohne Energiezufuhr in die Haushalte transportiert werden. Da im Haushalt der Wasserverbrauch mangels Energiebereitstellung sinkt (kein Kochen, Waschmaschine, Geschirrspüler, Warmwasser, …), gehen wir davon aus, dass statt der üblichen 130 l/Einwohner und Tag nur 40 bis 50 Liter Trinkwasser benötigt werden. Da reicht eine Hochbehälterfüllung mindestens drei Tage lang. Zusätzlich füllen die Quellen die Hochbehälter weiterhin auf und für die großen Brunnen sind die Notstromanlagen in Betrieb. Für den Bereich der Wasserversorgung gilt: keine Panik – es läuft fast überall normal.

Im Rahmen der „Bauen+Wohnen“ Salzburg 2023 werden Sie einen Vortrag auf der Bühne halten. Wovon wird dieser Vortrag handeln?

Das Land Salzburg veranstaltet gemeinsam mit dem Salzburger Gemeindeverband traditionell den “Infrastrukturtag” im Rahmen der Messe “Bauen+Wohnen” Salzburg. Zielgruppe sind Bürgermeister, Amtsleiter und Geschäftsführer, die im Aufgabenbereich der technischen Daseinsvorsorge tätig sind. Wir freuen uns auch über die Teilnahme jeder interessierten Person. Beim diesjährigen 10. Infrastrukturtag am 2. Februar2023 lautet das Generalthema „Die klimafitte Gemeinde“. 

Vielen Dank für das spannende Gespräch, wir freuen uns auf Ihren Input im Rahmen der “Bauen+Wohnen” Salzburg!